I.
Keine Superrevisionsinstanz durch Verfassungsbeschwerde
Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz, so dass es in der Regel keine Fehler auf einfachgesetzlicher Ebene prüft. Je wesentlicher allerdings der Grundrechtseingriff ist, desto eher prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch einfachgesetzliche Fragen.
II.
Spezifische Grundrechtsverletzung in der Verfassungsbeschwerde
Das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich auf die Prüfung der Verletzung des Grundgesetzes bzw. der Grundrechte. Es bedarf somit einer spezifischen Grundrechtsverletzung. Zwar ist auch eine Verletzung des einfachen Rechts aufgrund zum Beispiel falscher Subsumtion durch die Fachgerichte als ungerechtfertigter Grundrechtseingriff einzustufen. Dennoch geht das Bundesverfassungsgericht von einem Kooperationsverhältnis mit den Fachgerichten aus, so dass die Verletzung des einfachen Rechts nur ausnahmsweise bei besonderer Schwere in die Verfassungsbeschwerde einbezogen wird. Außerdem ist willkürliches Handeln der Fachgerichte mittels des Art. 3 Abs. 1 GG rügbar.
III.
Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität
Gemäß § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG bedarf es vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde der Rechtswegerschöpfung, soweit das Bundesverfassungsgericht nicht gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 von allgemeiner Bedeutung oder von der Notwendigkeit zur Abwehr schwerer und unabwendbar Nachteile ausgeht, wenn der Rechtsweg zunächst erschöpft werden würde.
Während mit der Rechtswegerschöpfung die Ausschöpfung aller unmittelbar vorgesehenen Rechtsbehelfe gemeint ist, fordert das Bundesverfassungsgericht in verfassungskonformer Auslegung des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG auch die vorherige Ausschöpfung aller mittelbaren Möglichkeiten vor der Verfassungsbeschwerde mit dem negativen Prüfungsaspekt „keine Subsidiarität“, wobei dieses Merkmal primär bei so genannten Rechtssatzverfassungsbeschwerden in Betracht kommt.
Statistisch betrachtet werden sehr viele Verfassungsbeschwerden mittels eines Zweizeilers seitens des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt und nicht zur Entscheidung angenommen – egal wie gut und professionell die Begründung verfasst sind. Dennoch war Rechtsanwalt Dr. Arne-Patrik Heinze beim Bundesverfassungsgericht bereits erfolgreich (siehe zum Beispiel News vom 12.01.2015).
C.
Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil oder einen Beschluss
Viele Verfassungsbeschwerden sind gegen ein letztinstanzliches Urteil (Urteilsverfassungsbeschwerde) oder gegen einen letztinstanzlichen Beschluss gerichtet. Dabei geht es nicht selten um rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG oder um einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. In Betracht kommen aber auch alle Freiheitsrechte wie zum Beispiel die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, das Erbrecht aus Art. 14 GG, die Freizügigkeit aus Art. 11 GG (z.B. Reisen in Corona-Zeiten) oder die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.
D.
Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze
Neben der Verfassungsbeschwerde gegen Urteile bzw. Beschlüsse gibt es solche gegen Gesetze. Die so genannte Rechtssatzverfassungsbeschwerde ist grundsätzlich gegen formelle nachkonstitutionelle Gesetze – solche, die ihrerseits nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wirksam geworden sind – gerichtet. Vorkonstitutionelle Gesetze – solche Gesetze, die ihrerseits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wirksam geworden sind – und untergesetzliche Normen können von den Verwaltungsgerichten geprüft und verworfen werden. Bei formellen nachkonstitutionellen Gesetzen haben die Verwaltungsgerichte zwar die Prüfungskompetenz, jedoch haben die alleinige Verwerfungskompetenz die Verfassungsgerichte, denen selbstverständlich auch die Prüfungskompetenz zusteht.
Bei Rechtssatzverfassungsbeschwerden bedarf es in besonderem Maß der Möglichkeit einer unmittelbaren Grundrechtsverletzung. Die Rechtswegerschöpfung ist grundsätzlich gegeben, weil es gegen formelle nachkonstitutionelle Gesetze grundsätzlich keinen Rechtsweg gibt (beachte aber die Ausnahmerechtsprechung des Hamburgischen Verfassungsgerichts für den Fall, dass ein Bebauungsplan ausnahmsweise als Gesetz erlassen worden ist). Allerdings ist eine eventuelle Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde wegen der Möglichkeit einer allgemeinen Feststellungsklage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sorgfältig zu prüfen, obwohl ein Verwaltungsgericht bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes mangels diesbezüglicher Verwerfungskompetenz dem Bundesverfassungsgericht im Sinne des Art. 100 GG im Wege der konkreten Normenkontrolle vorlegen würde.
E.
Verhältnis der Verfassungsbeschwerde zum Europarecht
Für das Verhältnis der nationalen Grundrechte zur EU-Grundrechte-Charta sowie zur EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) verweisen wir auf die allgemeinen Ausführungen zum Verfassungs- und Europarecht sowie auf die Ausführungen zu Verfahren beim EGMR.