I.
Grundlagen für ein Verfahren beim EGMR
Das Gerichtsverfahren beim EGMR ist extrem formalisiert. Es gibt klare Vorgaben, wie Anträge zu stellen und wie viele Zeichen für bestimmte Teile des Schriftsatzes zulässig sind. Sogar die elektronische Maske ist vorgegeben, so dass es eine Kunst eines Rechtsanwalts für Verfahren beim EGMR ist, Wesentliches vom Unwesentlichen zu trennen und die rechtlich wissenschaftlich aufbereiteten Argumente im vorgegebenen formalen Rahmen auf den Punkt zu bringen.
1.
Individualantrag beim EGMR
Beim EGMR ist ein Individualantrag zwar eher möglich als beim EuGH, jedoch ist ein Antrag beim EGMR einerseits nur auf die EMRK zu stützen und andererseits gemäß Art. 35 EMRK erst zulässig, wenn alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe einschließlich eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht ausgeschöpft wurden.
2.
Nationale Beachtung der Entscheidungen des EGMR
Die Vertragsparteien – auch die Bundesrepublik Deutschland – sind gemäß Art. 46 Abs. 1 EMRK in allen Verfahren, in denen sie Partei sind, verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR zu befolgen.
3.
Nationale Geltung der EMRK
Die EMRK wurde zunächst als völkerrechtlicher Vertrag gemäß den Artt. 32, 59 GG vereinbart und abgeschlossen. Damit ein völkerrechtlicher Vertrag von der Bundesrepublik Deutschland geschlossen werden kann, bedarf es eines Zustimmungsgesetzes des Bundestages. Nach Unterzeichnung des Vertrages gelten die Regelungen eines völkerrechtlichen Vertrages im Umkehrschluss aus Art. 25 S. 1 GG nicht unmittelbar in Deutschland. Vielmehr bedarf es dazu eines Transformationsgesetzes, das es gibt, so dass die EMRK in Deutschland den Status nationalen Bundesrechts hat. Lediglich bei der supranationalen Einrichtung Europäische Union bedarf es in vielen Bereichen keines Transformationsgesetzes mehr.
II.
Abgrenzung EMRK zur EU-Grundrechte-Charta und zu nationalen Grundrechten
Wichtig ist, dass sich der Rechtsanwalt bei einer Verfassungsbeschwerde und einem Verfahren beim EGMR über das Verhältnis des Europarechts zum nationalen Recht im Klaren ist. Das Europarecht ist in Europarecht im weiten Sinne – zum Beispiel die zum Europarat gehörige Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – und in Europarecht im engen Sinne – das primäre und das sekundäre Unionsrecht der Europäischen Union – zu unterteilen. Während das Unionsrecht gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang entfaltet, weil es zur supranationalen Einrichtung der Europäischen Union gehört, ist die EMRK dem Europarat als einer Institution zuzuordnen, die nicht supranational ist, so dass es für die innerstaatliche Wirkung der EMRK nicht nur – wie beim Unionsrecht auch – eines Zustimmungsgesetzes, sondern auch eines Transformationsgesetzes bedurfte.